Dolce far niente, schweizer Rohstoffhändler und das ewige Leben

Diese Woche begann für mich Medientechnisch schon am Wochenende. In der Schweiz war Abstimmungssonntag. Eine der Abstimmungen, sie fand im Tessin statt, erhielt sogar über die Grenzen hinaus Aufmerksamkeit: die Burka-weg-Kopfschmuck-gefällt-uns-nicht Initiative. Ich dachte immer, unsere einheimischen Südländer wären etwas relaxter. Aber anscheinend ist den Titschinese der dolce far niente Lifestyle abhandengekommen. Die Globalisierung lässt grüssen. Konkret wohnen wahrscheinlich keine drei komplettverschleierten Frauen im ganzen Sonnenkanton. Aber darum geht es nicht. Es geht um Ängste. Was, wenn diese Art der Bekleidung Schule macht und auf einmal alle komplett verschleiert durch die Strada und über die Piazza spazieren? Alle gesichtslos. Wem wollen dann die kleinen Machos nachpfeifen? Wem ihre lüsternen Blicke nachwerfen? Da würde eine jahrhundertealte hochstehende Kultur sterben. Das geht natürlich nicht. Am letzten Wochenende durften aber nicht nur wir Schweizer von unserem demokratischen Recht Gebrauch machen, sondern auch unsere deutschen Nachbarn. Das dürfen die alle 4 Jahre einmal. Ja, sie nennen das auch eine Demokratie. Die Königin Europas wurde für vier weitere Jahre im Amt bestätigt, Steinbrücken benötigt man in diesem Jahrhundert nicht mehr. Genug der Politik, wenden wir uns doch lieber etwas der Unterhaltung zu. Aus Fernost erfahren wir: China will sich als neue kulturelle Macht auf der Weltbühne etablieren. Bis in drei Jahren soll das Hollywood des Ostens entstehen. Zur Präsentationsparty des Projekts wurden gleich mehrere weltbekannte Schauspieler eingeflogen: Nicole Kidman, Catherine Zeta-Jones, Leonardo DiCaprio und John Travolta lächelten in die Kameras. Finde ich meschugge. Wenn ich die kulturelle Macht der Schweiz stärken wollte, wen würde ich einladen? Sicher nicht den Tom Cruise, sondern den Gölä oder, ähh, oder…oder, egal. Kultur wird überschätzt. Ausser bei den Tessinern. Und schon sind wir wieder bei der Politik. Sei‘s drum. Auch der Ueli hatte diese Woche wieder einen Auftritt. Einen ganz grossen Auftritt. An der UNO-Generalversammlung hielt er eine Rede – und meinte: „Wenn es die UNO nicht gäbe, müsste man sie sofort erschaffen“. Ja wieso? Weil sie seit Jahren so schrecklich ernst genommen wird? So wie es unsere Freunde aus Übersee, Russland und China zu tun pflegen? Weiter meinte er während seines Aufenthalts in New York: „Vielleicht müssen wir uns längerfristig darauf konzentrieren, dass wir das in Genf halten können (UNO Standort), was eigentlich für Genf steht. Mit dem Roten Kreuz, dem Humanitären und den Menschrechts-Konventionen bieten wir die Basis für diese Dinge.“ Lieber Ueli, da hast du aber geschickt die Banken und die Rohstoffhändler unterschlagen.

Unser Land konzentriert sich schon länger lieber ums Geld scheffeln als um Menschenrechte. Ich meine gelebte Menschenrechte, nicht irgendwelche Papiertiger. Zu zynisch? Nun, zur Zeit befindet sich ein Schweizer in russischer Haft. Das Verdikt? Er wollte dazu beitragen, dass die Generation nach uns auch noch eine halbwegs intakte Erde zum Leben vorfinden wird. Was das mit der offiziellen Schweiz zu tun hat? Haben sie heute den Brief des Bundespräsidenten an Putin in der Zeitung gelesen, in dem er Putin aufforderte, sich an Gesetze und die Menschenrechte zu halten und den Schweizer frei zu lassen? Mir gefiel speziell das Schlusswort, dass Russland sich doch bitte auch mehr der Nachhaltigkeit und dem Umweltschutz widmen soll. Aha, heute keine Zeitung gelesen? Doch schon, aber den Brief nicht gesehen? Gibt ihn auch nicht. Ich habe bis heute noch keinen Schweizer Politiker gesehen, der ehrlich erbost über die Situation wäre und in der Öffentlichkeit das Gebaren der Russen an den Pranger stellen würde. Shame on you – meine lieben Politiker! Beziehungsweise meine nicht-lieben Politiker! Lieber die Banken hätscheln, die die Geldtransaktionen dieser Rohstofffirmen ausführen. Lieber den Bückling vor den Rohstoffhändlern machen, die dann die Rohstoffe aus der Arktis von Genf aus verticken. Rückgrat besitzen war gestern. Oder wie? Ich frage mich sowieso immer öfter: wieso dürfen Rohstofffirmen ungestraft unseren Planeten zerstören? Das müsste auch die Jungs von Google interessieren. Wieso das die Suchmaschinen-Freaks kümmern sollte? Nun, sobald nämlich unser Planet komplett unbewohnbar ist, lohnt sich deren neuste Investition nicht mehr. Sie wollen das ewige Leben. Nein sie haben nicht das Copyright auf die Bibel gekauft. Larry Page und Sergej Brin haben ein Biotech-Unternehmen gekauft, das herausfinden soll, wieso wir altern. Jungs, kauft doch gleich noch ein paar Planeten, irgendwo müssen wir all die Leute unterbringen die nicht mehr sterben werden. Aber irgendwie sind wir Menschen schon „gspässig“. Die einen wollen Sterbehilfe, die anderen ewig leben, wieder andere treiben Kinder ab, und immer mehr versuchen verzweifelt künstlich Kinder zu kriegen. Alles was ich will: Wochenende!

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